„Die Geschichte kennt kein letztes Wort.“ (Willy Brandt, 1985)
Mit diesen Worten bringt Willy Brandt das Grundproblem historischer Auseinandersetzung auf den Punkt: Geschichte ist kein abgeschlossener Prozess, sondern ein dynamisches Feld fortwährender Deutung, Umwertung und Vergegenwärtigung. Gerade die DDR-Vergangenheit erweist sich bis heute als besonders konflikthaftes Erinnerungsfeld – nicht nur aufgrund der politischen Repressionen, die sie prägten, sondern auch wegen der emotionalen, biografischen und gesellschaftlichen Nachwirkungen, die sie bis in die Gegenwart hinein entfaltet.
Die Auseinandersetzung mit der DDR bedeutet daher weit mehr als das Studium eines untergegangenen politischen Systems. Sie berührt Fragen nach historischer Verantwortung, nach kollektiver Identität, nach der Gerechtigkeit vergangener und gegenwärtiger Urteile – und nicht zuletzt nach den Bedingungen und Grenzen erinnerungskultureller Vermittlung. Wer heute über die DDR spricht, verhandelt zugleich persönliche Lebensgeschichten und öffentliche Narrative, gesellschaftliche Spannungen und politische Deutungskämpfe.
Die Exkursion nach Erfurt vom 25. bis 27. Mai 2025 unter der Leitung von Prof. Dr. Sylvia Paletschek und Dr. Anna Lux bot die Möglichkeit, diesen Fragen in direkter Auseinandersetzung mit historischen Orten und Akteur*innen nachzugehen. In Erfurt, einer Stadt mit mehrfach geschichtsträchtiger Topografie – von der Reformation über die Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts bis zur Friedlichen Revolution –, verdichteten sich exemplarisch verschiedene Erinnerungsschichten, die in Beziehung zueinander gesetzt werden konnten. Im Zentrum dieses Berichts steht daher nicht eine bloß deskriptive Wiedergabe des Exkursionsverlaufs, sondern eine kritische, reflektierende und kontextualisierende Auseinandersetzung mit den vermittelten Inhalten, den erinnerungskulturellen Praktiken und den persönlichen Eindrücken, die durch die Exkursion angestoßen wurden.
